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Individuelle Lösungen zum Schutz Ihrer Werte

| Gerd Biebinger

Wechsel im Gläubigerausschuss möglich

Entsandte, informierte Person ist als Vertreter einer juristischen Person als Gläubigerausschussmitglied ausreichend.

Sachverhalt zur Bestellung des Gläubigerausschusses

Ursprünglich hatte das Amtsgericht Hildesheim – Insolvenzgericht – im vorliegenden Fall mit Beschluss vom 14.09.2020 einen vorläufigen Gläubigerausschuss eingesetzt und zu den Mitgliedern die natürlichen Personen bestimmt, die ihre Bereitschaft zur Mitarbeit direkt als Gläubigerausschussmitglied oder als Vertreter einer juristischen Person als Gläubigerausschussmitglied explizit gegenüber dem Insolvenzgericht angezeigt haben. Mit Beschluss vom 01.12.2020 setzte das Insolvenzgericht in gleicher Art und Weise einen Gläubigerausschuss gemäß § 67 Abs. 1 lnsO ein, dessen Mitglieder und natürlichen Personen als Vertreter von der Gläubigerversammlung im Berichtstermin per Beschluss bestätigt und um ein weiteres Mitglied ergänzt wurden. In der Folgezeit kam es zu Unstimmigkeiten innerhalb des Gläubigerausschusses im Hinblick auf die Befugnis zur Vertretung des Gläubigerausschussmitglieds B oHG sowie die Teilnahmerechte von deren Vertreter. Die B oHG hatte in Abweichung zum Beschluss der Gläubigerversammlung mit Rechtsanwalt B ab der 7. Sitzung eine andere Person zur Vertretung in den Gläubigerausschuss entsandt. Der Antragsteller als Vertreter eines weiteren Gläubigerausschussmitglieds wollte daraufhin gerichtlich feststellen lassen, dass die B oHG nur durch den von der Gläubigerversammlung bestimmten Vertreter in den Gläubigerausschusssitzungen vertreten werden darf.

Das Landgericht Hildesheim hat mit Beschluss vom 19.08.2021 – 6 T 53/21 klargestellt, dass nicht der Vertreter, sondern die juristische Person oder die rechtsfähige Personengesellschaft das Amt des Gläubigerausschussmitglieds innehat. Die Nennung der gesetzlichen Vertreter stellt nur eine informatorische Angabe nach derzeitigem Vertretungsstand dar. Die jeweils zu einer Gläubigerausschusssitzung entsandte Person kann daher wechseln, sofern sie ausreichend informiert ist.

Entscheidungsgründe des Insolvenzgerichts zum Antrag auf Unterlassung

Mit Beschluss vom 16.06.2021 hatte das Insolvenzgericht analog § 70 lnsO die Anträge zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Insolvenzgericht im Wesentlichen aus, dass eine juristische Person grundsätzlich durch ihre gesetzlichen Vertreter – eine oHG konkret durch ihre Gesellschafter – vertreten werde. Im Protokoll der Gläubigerversammlung vom 24.02.2021 sei insoweit lediglich die gesetzliche Vertretungsregelung der oHG gern. §§ 114, 115 HGB wiedergegeben worden. Die dem Insolvenzantrag beiliegenden Bereitschaftsanzeigen der jeweiligen natürlichen Person als Vertreter von juristischen Person als Gläubigerausschussmitglied hatte das Insolvenzgericht vermutlich nicht mehr auf dem Schirm, ging jedenfalls nicht darauf ein. Ein Teilnahmerecht der gesetzlichen Vertreter sei unstreitig gegeben, unabhängig davon, welche natürliche Person im jeweiligen Beschluss des Insolvenzgerichts oder der Gläubigerversammlung benannt sei. Eine juristische Person könne daneben eine rechtsgeschäftliche Vollmacht erteilen – z.B. zur Reduzierung des Haftungsrisikos – und sich somit als Gläubigerausschussmitglied beispielsweise durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Gegen den Beschluss wendete sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde.

Entscheidungsgründe des Landgerichts Hildesheim zur sofortigen Beschwerde

Das Landgericht Hildesheim schloss sich der Auffassung des Amtsgerichts an, dass im Protokoll der Gläubigerversammlung lediglich die gesetzliche Vertretungsregelung der B oHG gemäß §§ 114, 115 HGB wiedergegeben worden sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass bei den weiteren Gläubigerausschussmitgliedern ebenfalls eine natürliche Person genannt wurde.

Mitglied im Gläubigerausschuss sind – was im vorliegenden Sachverhalt auch unstreitig war – nicht die genannten natürlichen Personen, sondern die juristischen Personen des privaten und öffentlichen Rechts und die oHG als rechtsfähige Personengesellschaft i.S.d. § 14 Abs. 2 BGB. Nichts anderes folgt aus der Angabe zu der Vertretung der Antragsgegnerin durch ihre Gesellschafter, die nach Klarstellung des Landgerichts Hildesheim lediglich dem Bedürfnis der Praxis nach Kontinuität in der Wahrnehmung des Amtes auch für eine rechtsfähige Personengesellschaft als Ausschussmitglied Rechnung trägt. Die Nennung der gesetzlichen Vertreter der B oHG sei daher nur eine informatorische Angabe nach derzeitigem Vertretungsstand.

Es sei nach Auffassung des Landgerichts Hildesheim allgemeine Praxis, dass z.B. bestellte Institute durch unterschiedliche Personen vertreten werden können. Wenn nur eine natürliche Person Ausschussmitglied werden solle, müsse auch eine solche Person konkret bestellt werden. Dies war vorliegend aber nicht der Fall.

Weiter führt das Landgericht Hildesheim wie folgt aus:

„Im Übrigen kann aber die jeweils entsandte Person wechseln. Denn nicht der Vertreter, sondern die juristische Person oder die rechtsfähige Personengesellschaft hat das Amt inne.“

Stellungnahme zur Entscheidung des Landgerichts Hildesheim

Die Entscheidung des Landgerichts Hildesheim überrascht insoweit, als es doch bislang in der Praxis ein anderes Verständnis von der Vertretungsbefugnis in Gläubigerausschusssitzungen gab. Nach Auffassung des Landgerichts Hildesheim können z.B. bestellte Institute oder juristische Personen durch unterschiedliche Personen vertreten werden. Insofern muss nicht – wie bisher in der überwiegenden Praxis angenommen – stets dieselbe Person für das Gläubigerausschussmitglied zur Teilnahme an einer Gläubigerausschusssitzung erscheinen, sondern es können unterschiedliche Personen das Gläubigerausschussmitglied vertreten. So stellt das Gericht klar, dass es die Kontinuität in einem Gläubigerausschuss gewahrt sieht, wenn die juristische Person als Gläubigerausschussmitglied gleichbleibt. Die juristische Person kann dann in einem Insolvenzverfahren für jede einzelne Gläubigerausschusssitzung eine andere ii informierte – Person entsenden.

Die Entscheidung des Landgerichts Hildesheim deckt sich insoweit mit Stimmen im Schrifttum. Zu beachten gilt es allerdings, dass der juristischen Person das Amt nach § 70 InsO entzogen werden könnte, wenn sie laufend wechselnde Vertreter schickt, die sich als uninformiert herausstellen. Der Denkweise des Landgerichts Hildesheim ist daher immanent, dass die entsandte Person nach Wahrnehmung des Gläubigerausschusstermins die gesamten Informationen an die juristische Person weiterleitet und diese, vertreten durch den gesetzlichen Vertreter (z.B. Geschäftsführer), die Informationen sammelt. Die Kontinuität in der Wahrnehmung des Amtes ist insoweit deshalb gewahrt, weil die juristische Person anhand der gesammelten Informationen entscheidet. Es ist dann lediglich darauf zu achten, dass jede jeweils zu einer weiteren Gläubigerausschusssitzung neu entsandte weitere Person über den bisherigen Sachstand hinreichend informiert ist; dies dürfte nach unserer Ansicht als gegeben angenommen werden, wenn die entsandte Person die Berichte des Insolvenzverwalters an das Insolvenzgericht und die Protokolle der vorherigen Gläubigerausschusssitzung kennt. Folgt man der Auffassung des Landgerichts Hildesheim, ist es daher auch nicht mehr erforderlich, sich gegenüber dem Insolvenzgericht bei Annahme des Amtes das Recht vorzubehalten, auch andere vertretungsberechtigte Personen als Untervertreter zu entsenden. Ob in der Geschäftsordnung des Gläubigerausschusses geregelt werden kann, dass zur Vertretung ein „ständiger Vertreter“ benannt werden muss, ist fraglich. Es ist als kritisch anzusehen, wenn eine Geschäftsordnung des Gläubigerausschusses bezwecken soll, die Pflichten eines Gläubigerausschussmitglieds über das gesetzliche Maß hinaus zu erhöhen oder ihm von Gesetzes wegen zustehende Rechte einzuschränken.

Bei weitergehenden Fragen zu diesem Thema kontaktieren Sie gerne BIEBINGER – Wirtschaftskanzlei. Wir stehen Ihnen stets als kompetente Ansprechpartner zur Verfügung.