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Individuelle Lösungen zum Schutz Ihrer Werte

| Gerd Biebinger

Nur Insolvenzgläubiger mit festgestellten Forderungen oder eine Feststellungsklage betreibende Gläubiger sollten antragsberechtigt i.S.v. § 290 Abs. 1 InsO sein

Ziel eines Insolvenzverfahrens einer natürlichen Person

Eine natürliche Person durchläuft ein eigenes Insolvenzverfahren normalerweise mit dem Ziel, auf eigenen Antrag anschließend gem. § 286 ff. InsO durch richterlichen Beschluss von seiner Restschuld befreit zu werden und dadurch in seinem Leben neu starten zu können. Hierfür hat der Schuldner gewisse Obliegenheiten zu erfüllen, deren Nichterfüllung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers zur Versagung der Restschuldbefreiung führen kann. Die Insolvenzgläubiger können ihre Forderungen gem. § 174 InsO zur Insolvenztabelle anmelden. Wenn ein Insolvenzgläubiger oder der Insolvenzverwalter die Forderung eines anderen Insolvenzgläubigers bestreiten, bleibt es gemäß § 179 InsO diesem anderen Insolvenzgläubiger überlassen, Klage auf Feststellung seiner Forderung vor einem normalen Prozessgericht zu betreiben. Tut er dies nicht, wird er gem. § 189 InsO nicht an der Schlussverteilung des Vermögens des Schuldners teilnehmen.

Insolvenzgläubiger können die Versagung der Restschuldbefreiung betreiben

Die Restschuldbefreiung kann jedoch versagt werden, wenn der Schuldner nicht redlich ist und dadurch die Gläubiger mit ihren Forderungen gefährdet sind. Grundsätzlich ist das Insolvenzverfahren ein geschlossenes Verfahren zwischen Schuldner und seinen Insolvenzgläubigern. Insolvenzgläubiger ist gemäß § 35 InsO der persönliche Gläubiger des Schuldners, der einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hat. Wer kein Insolvenzgläubiger ist, hat in dem Insolvenzverfahren nichts zu suchen, vgl. § 74 Abs. 1 InsO.

§ 290 Abs. 1 InsO alte Fassung („a.F.“; gültig bis zum 01.07.2014) regelte unter anderem, wer einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung stellen kann: „In dem Beschluss ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn dies im Schlusstermin von einem Insolvenzgläubiger beantragt worden ist und wenn … [Grunde Nr. 1-6]“. Hieraus wurde deutlich, dass ein Insolvenzgläubiger berechtigt ist, einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zu stellen. Fraglich könnte bei § 290 Abs. 1 InsO a.F. sein,

a) ob der Insolvenzgläubiger seine Forderung auch in dem Insolvenzverfahren zur Insolvenztabelle angemeldet haben muss, damit er formal Beteiligter in dem Insolvenzverfahren ist.
b) Oder ob es auch einfach reicht, dass er eine Forderung zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat, aber zu faul war, diese in dem Insolvenzverfahren zur Insolvenztabelle anzumelden. Gegen letzteres spricht, dass das Insolvenzgericht (ein gesonderter Spruchkörper bei Amtsgerichten) nicht dafür zuständig ist, schlussendlich über die Berechtigung einer angemeldeten Insolvenzforderung zu entscheiden.
c) Weiterhin kann fraglich sein, ob der angebliche Gläubiger, dessen Forderung von dem Insolvenzverwalter oder einem anderen Insolvenzgläubiger bestritten wurde, die Feststellung seiner Forderung gemäß § 179 InsO betreiben muss um antragsberechtigt im Sinne von § 290 Abs. 1 InsO zu sein. Wenn er sich entsprechend bemüht, seine Insolvenzgläubigerstellung zu behaupten, könnte es berechtigt sein, ihn als Beteiligten des Insolvenzverfahrens anzusehen.

Nicht-Gläubiger und die Restschuldbefreiung

Darf gemäß BGH auch ein Nicht-Gläubiger die Restschuldbefreiung streitig machen, wenn er nur eine angebliche Forderung anmeldet?

Der BGH hat zur alten Rechtslage zu § 290 Abs. 1 InsO a.F. in IX ZB 9/15 entschieden, das eine Person A, die eine Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet hat, einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung stellen kann, obwohl der Insolvenzverwalter und der Insolvenzschuldner diese Forderung bestritten haben. Der Gläubiger hat sich in diesem Fall auch nicht bemüht, seine Forderung durch eine Klage gegen den bestreitenden Insolvenzverwalter vor einem Prozessgericht feststellen zu lassen. Dadurch konnte dieser vermeintliche Gläubiger auch nie von dem Insolvenzverfahren und der Verteilung der Insolvenzmasse profitieren. Als Grund hatte diese Person sogar noch die Ziffer 6 von § 290 Abs. 1 InsO a.F. angegeben, da der Schuldner nämlich die Forderung dieses Gläubigers in seinem Insolvenzantrag und dem damit verbundenen Gläubigerverzeichnis nicht genannt habe. Der BGH führt aus, dass § 290 Abs. 1 InsO nicht näher regele, wer Insolvenzgläubiger im Sinne dieser Norm ist. § 35 InsO, der deutlich definiert, wer Insolvenzgläubiger im Sinne der Insolvenzordnung ist, ignoriert der BGH dabei. Laut BGH sei die formale Position als Insolvenzgläubiger auf Grund der Forderungsanmeldung ausreichend.

Hier wird das Urteil des BGH meines Erachtens ungerecht: Der Schuldner gibt an, dass diese Person A kein Gläubiger von ihm ist. Der Insolvenzverwalter prüft die von der Person A angemeldete Forderung und kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass A kein Insolvenzgläubiger ist. A bemüht sich auch nicht, seine Stellung als Insolvenzgläubiger bei einem Prozessgericht feststellen zu lassen. Gibt es dann noch eine besondere Berechtigung, dem A Verfahrensrechte zuzubilligen? Oder hat A in dem Insolvenzverfahren dann nichts mehr zu suchen, wenn er sich – trotz unterstellter gewissenhafter Prüfung durch den Insolvenzverwalter – nicht bemüht, die Feststellung seiner Forderung zu betreiben? Warum soll dem Schuldner der wirtschaftliche Neustart in seinem Leben durch eine Person A verwehrt werden können, die womöglich überhaupt nichts von dem Schuldner zu fordern hat?

Wollte der Gesetzgeber tatsächlich diese Lücke offen lassen?

§ 290 Abs. 1 InsO hat zum 01.07.2014 diesbezüglich eine Gesetzesänderung erfahren und lautet nunmehr: „Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn… [Grunde Nr. 1-6]“. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/11268 S. 26) steht folgendes:

  1. Mit diesem Konzept soll die Erwartung der Gläubiger hinsichtlich der Befriedigung ihrer Forderungen mit dem Vertrauen des Schuldners in einen erfolgreichen Abschluss des Restschuldbefreiungsverfahrens in Ausgleich gebracht werden.
  2. Das Antragsrecht ist jedoch auf die Insolvenzgläubiger zu beschränken, die Forderungen im Verfahren angemeldet haben.

In der neuen Rechtsprechung (BGH IX ZB 85/13) zur alten Rechtslage – aber nach dem 01.07.2014 entschieden – manifestiert der BGH sein oben dargestelltes, möglicherweise ungerechtes Ergebnis mit der Begründung, dass § 290 Abs. 1 InsO neue Fassung die bisherige BGH-Rechtsprechung nachzeichnen wolle. Der BGH verweist dabei auf

Meines Erachtens ist diese Begründung des BGH nicht der Sinn und Zweck der Begründung der Gesetzesänderung und die oben unter Ziffer 1. und 2. genannten Argumenten nicht für diese BGH-Rechtsprechung heranzuziehen:

BGH IX ZB 120/05 ist meines Erachtens nicht als Argument geeignet, die Berechtigung eines Gläubigers mit einer im Sinne von § 179 Abs. 1 InsO bestrittenen Forderung zur Stellung eines Versagungsantrags zu begründen. Denn in diesem Urteil ging es darum, ob nur der nicht genannte Gläubiger einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung wegen der Nichtbenennung eines Gläubigers stellen darf oder jeder Insolvenzgläubiger.

BGH IX ZB 257/08 ist meines Erachtens ebenfalls nicht als Argument heranzuziehen, dass die Gesetzesänderung auch Nicht-Insolvenzgläubigern die Stellung eines Versagungsantrags hinsichtlich der Restschuldbefreiung erlauben möchte. Denn in dem zugrundeliegenden Sachverhalt ist der Antragsteller des Versagungsantrags gerade als Insolvenzgläubiger vom Insolvenzverwalter festgestellt worden.

Die Gesetzesänderung zum 01.07.2014 sollte meines Erachtens lediglich klarstellen, dass der formale Akt der Forderungsanmeldung notwendig ist, um Beteiligtenrechte in dem Insolvenzverfahren (wie zum Beispiel das Antragsrecht zur Versagung der Restschuldbefreiung) auszuüben. Gleichwohl ist es meines Erachtens wichtig, dass nur die wahren Beteiligten in den geschlossenen Insolvenzverfahren Rechte geltend machen können. Und dazu gibt § 290 Abs. 1 InsO alte Fassung und neue Fassung vor, dass der Antragsteller tatsächlich ein Insolvenzgläubiger sein muss oder er zumindest seine behauptete Insolvenzgläubigerstellung hartnäckig verfolgen muss. Natürlich ist es möglich, dass die materielle Prüfung der Insolvenzgläubigerstellung durch ein Prozessgericht im Rahmen einer Feststellungsklage noch nicht abgeschlossen ist, wenn über den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zu entscheiden ist. Gleichwohl ist meines Erachtens dem vermeintlichen Insolvenzgläubiger vom Gesetzgeber (und auch von der Rechtsprechung) dann mindestens aufzugeben, das Betreiben der Feststellung der Gläubigerstellung gemäß § 189 Abs. 1 InsO durch Klageerhebung nachzuweisen. Wenn es nämlich der Person nicht wichtig ist, die Erwartung hinsichtlich der Befriedigung ihrer Forderung zu verteidigen, dann sollte auch nicht der wirtschaftliche Neuanfang des Schuldners durch diese Person gefährdet werden können. Es sollte dann bei dem Grundsatz bleiben: Wo kein Kläger, da kein Richter. Insofern sollte der BGH seine Rechtsprechung überdenken.