Eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung (auch D&O-Versicherung – Directors-and-Officers – genannt) kann Geschäftsführer einer GmbH vor vielen Haftungsgefahren bewahren, jedoch nicht vor der Haftung gemäß § 64 GmbH aufgrund Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, wie das Urteil des OLG Düsseldorf, 20.07.2018, I 4 U 93/16 klarstellt.
I. Sachverhalt
Die Klägerin, eine ehemalige GmbH-Geschäftsführerin, macht gegen die D&O Versicherung der GmbH Ansprüche geltend, die unter anderem aus Ihrer Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter aus § 64 GmbHG herrühren. Eine D&O-Versicherung ist eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, die ein Unternehmen für seine Organe und leitenden Angestellten abschließt.
II. Leitsätze
Es handelt sich bei § 64 GmbHG nicht um einen gesetzlichen Haftpflichtanspruch, der unter einen D&O-Versicherungsschutz für Schadensersatz fällt.
III. Die Entscheidung
Das OLG Düsseldorf hatte darüber zu entscheiden, ob ein gegen die Geschäftsführerin gerichteter Anspruch aus § 64 GmbHG von dem Versicherungsumfang der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung umfasst ist.
Der Klägerin steht dem Urteil des OLG Düsseldorf nach kein vom Versicherungsvertrag umfasster Anspruch zu, weil der gegen die Geschäftsführung gerichtete Anspruch aus § 64 GmbHG kein gesetzlicher Haftpflichtanspruch sei.
Das OLG Düsseldorf führt aus, dass § 64 GmbHG nicht im eigentlichen Sinne ein Verbot darstellt, sondern lediglich das wirtschaftliche Risiko für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife auf den Geschäftsführer verlagert. § 64 GmbHG bezweckt dabei nicht den Schutz des Gesellschaftsvermögens, sondern einzig des Vermögens der Gläubiger. Der Anspruch aus § 64 GmbHG sei daher auch kein versicherbarer Haftungstatbestand, sondern ein Ersatzanspruch eigener Art, der nicht die Gesellschaft, sondern die Gläubiger der Gesellschaft schützt, indem die den Gläubigern zur Verfügung stehende Haftungsmasse bewahrt wird.
Im Ergebnis ist durch § 64 GmbHG daher nicht die GmbH als Versicherungsnehmerin vor Schaden geschützt, sondern die Allgemeinheit der Gläubiger. Eine so weite Ausdehnung des Schutzes der D&O Versicherung, die nicht mehr lediglich die Interessen der GmbH als Versicherungsnehmerin absichert, lehnt das OLG Düsseldorf ab.
a) Objektive Erkennbarkeit für den Geschäftsführer?
Gerade hier geht das OLG Düsseldorf jedoch zu weit.
Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann (das OLG Düsseldorf zitiert insoweit BGH, Urteil vom 17. 12. 2008 – IV ZR 9/08, NJW 2009, 1147, 1148, Rz. 16).
Der Senat selbst gibt zu, dass das Interesse des letztlich versicherten Geschäftsführers dahin geht, möglichst weitgehend abgesichert zu sein. Der nicht notwendig juristisch vorgebildeten Geschäftsführung wird dann jedoch zugemutet, den obigen Gedankenschritt bezüglich der Schutzrichtung des § 64 GmbHG selbst zu gehen und zur Einsicht zu gelangen, dass es der Norm an dem Charakter des gesetzlichen Haftpflichtanspruches fehlt.
Auch wenn die Einordnung des § 64 GmbHG grundsätzlich nachvollziehbar ist, ist es von einem Geschäftsführer dennoch viel verlangt, den Umfang der Versicherung objektiv in Bezug auf die Schutzrichtung zu analysieren und zum Ergebnis zu gelangen, dass gerade in dem für den Geschäftsführer existenzbedrohenden Bereich der Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter nach § 64 GmbHG kein Schutz gegeben ist.
Die zugrunde liegenden Regelungen des Versicherungsvertrages (ULLA) waren dabei nach unserer Ansicht auch nicht explizit genug, einen Ausschluss zu begründen.
b) Versicherungsschutz im Ergebnis vom Zufall abhängig
Eine weitere, vom Senat selbst eingestandene Schwäche des Ergebnisses ist, dass der Versicherungsschutz vom Zufall abhängt. Nimmt ein Gläubiger die GmbH nämlich aus §64 GmbH in Anspruch, so stellt dies keinen ersatzfähigen Schaden dar. Ein solcher, vom Versicherungsumfang erfasster Schaden liegt wohl aber vor, wenn der Geschäftsführer gemäß §§15a InsO i.V.m. 823 Abs. 2 BGB in Anspruch genommen wird.
c) § 64 GmbHG ist keine deliktische Haftung
Aus dem Urteil des OLG Düsseldorf folgt die Feststellung, dass es sich bei § 64 GmbHG nicht um eine Verbotsvorschrift handelt. Eine Versicherbarkeit ist daher nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern kann positiv zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer vereinbart werden.
IV. Fazit
Eine Revision ist durch das OLG Düsseldorf nicht zugelassen worden, weshalb höchstrichterliche Rechtsprechung vorerst nicht zu erwarten ist.
Als Lehre aus dem Urteil bleibt, dass bei Abschluss der D&O-Versicherung die Bedingungen skeptisch juristisch zu prüfen und gegebenenfalls eine Deckung des Versicherungsschutz für eine Haftung nach § 64 GmbHG privatautonom ausverhandelt werden sollte. BIEBINGER – Wirtschaftskanzlei geht davon aus, dass Bereitschaft bei der Versicherungsindustrie besteht, diese Deckung zu gewähren, weil andernfalls der Versicherungszweig D&O-Versicherung abzustempeln droht.
Sollte bereits Insolvenz eingetreten sein, ist es für Gläubiger wichtig, die Anspruchsgrundlage für die Inanspruchnahme des Geschäftsführers, sofern eine Wahlmöglichkeit besteht, mit Blick auf die Erstattungsfähigkeit der Zahlung durch die D&O Versicherung auszuwählen. So kann verhindert werden, dass dem Gläubiger neben der insolventen Gesellschaft nicht lediglich ein insolventer Geschäftsführer als Haftungsgegner bleibt.